09.07.2023

Krebs, Alzheimer, Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Welche Risiken drohen beim Einatmen von Bremsstaub?

Insbesondere bei bereits geschwächten Personen kann der eingeatmete Bremsstaub bestehende Lungen- und Atemwegserkrankungen noch verschlimmern. Studien weisen auf weitere Gesundheitsrisiken dieser bislang verkannten Gefahr hin.

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Im November 2022 stellte die Europäische Kommission die neue Abgasnorm Euro 7 vor, die nach der Abnahme durch das Europäische Parlament am 1. Juli 2025 in Kraft treten soll. In einer historischen Entscheidung soll sie erstmals auch die durch das Bremsen von Fahrzeugen entstehenden Feinstaubpartikel regulieren. Das Ziel: die Reduzierung der Luftverschmutzung, die in Europa Jahr für Jahr zu 238.000 vorzeitigen Todesfällen führt. Die mikroskopisch kleinen Bremsstaubpartikel (< 10 µm) dringen ungehindert in die Atemwege ein und leiten mitunter auch weitere Schadstoffe in den Körper. Isabella Annesi-Maesano, Professorin für Umweltepidemiologie an der Universität Montpellier, Forschungsdirektorin an der Forschungseinrichtung INSERM und stellvertretende Direktorin des Instituts Desbrest für Epidemiologie und öffentliche Gesundheit, erklärt: „Vorrangig ist es die metallische Zusammensetzung, die diese Partikel so gefährlich macht.” „Bremsbeläge bestehen zu 80 % aus metallischen Bestandteilen – in erster Linie Eisen, aber auch Kupfer, Zink, Aluminium und Silizium. Die verbleibenden 20 % sind organische Stoffe auf Kohlenstoffbasis”, so Jean-François Berret, Forschungsdirektor des französischen Wissenschaftszentrums CNRS an der Université Paris-Cité. „Metalle sind besonders problematisch, da die Metallatome in ihrer ionisierten Form positiv geladen sind. Sobald diese Metallionen in unsere Lunge eindringen, reagieren sie verstärkt mit unseren in der Regel negativ geladenen Lipiden, Proteinen und Zellen”, so Berret weiter.

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Welche Risiken für Atemwege und Lunge?

Eine wiederholte und langfristige Exposition birgt gesundheitsgefährdende Risiken – insbesondere für Anwohner von stark befahrenen Straßen und die Autofahrer selbst. Ist der Organismus regelmäßig dem Bremsstaub ausgesetzt, können die Partikel das Immunsystem schwächen, Entzündungen verursachen, zu Atemwegs- und Lungenerkrankungen wie Asthma, Bronchitis und Lungenentzündungen führen und die Lunge dauerhaft schädigen.

Nicht alle sind gleichermaßen von dieser Gefahr betroffen: „Eine gesunde Lunge kann die eingeatmeten luftgetragenen Partikel bemerkenswert gut filtern. Allerdings sind Menschen mit bestehenden Lungenbeschwerden bei gleicher Belastung weitaus stärker gefährdet. In diesem Fall sind die Reinigungsmechanismen der Lunge weniger effizient und die Lunge selbst anfälliger für Entzündungen”, so Jean-François Berret. Bei anhaltender Belastung kann der Feinstaub insbesondere bei Asthmatikern, Personen mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen sowie älteren Menschen und Kleinkindern zu vorzeitigen Todesfällen führen. So können
auf die Luftverschmutzung (einschließlich der Verschmutzung durch feine Reibungspartikel) zurückgeführt werden. „Einige Bremspartikel enthalten Giftstoffe und können Schäden an den Lungenzellen und weiteren Organen verursachen. Wenn in den Bremspartikeln beispielsweise Asbest enthalten ist, kann dies schwere Krankheiten wie Lungenkrebs und Mesotheliom hervorrufen”, erläutert Isabella Annesi-Maesano.
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Weitere wissenschaftlich untersuchte Krankheitsbilder

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine längere Exposition gegenüber Bremspartikeln noch weitere gesundheitliche Risiken bergen könnte – darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen. So zeigt eine in den USA durchgeführte Studie, dass der Bremsstaub ein ursächlicher Faktor für die ischämische Herzkrankheit (unzureichende Sauerstoffversorgung des Herzmuskels) ist. Eine 2019 in Mexiko-Stadt durchgeführte Studie stellt fest, dass das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen – vornehmlich Alzheimer und Parkinson – durch die Exposition gegenüber magnetischem Feinstaub aus Abrieb erhöht wird. „Diese Ergebnisse sind von großer Bedeutung.

Um eine eindeutige Beweislage zu erzielen, sind jedoch noch zahlreiche weitere Studien und Statistiken erforderlich”
, unterstreicht Jean-François Berret. Angesichts dieser Erkenntnisse ist das baldige Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 7 ein Hoffnungsschimmer für Europa. „Derzeit zielen die Vorschriften in den Mitgliedstaaten ausschließlich auf die abgasbedingten Feinstaubemissionen ab. Die Ergebnisse der jüngsten Studien deuten jedoch darauf hin, dass die durch den Abrieb im Straßenverkehr freigesetzten Partikel genauso schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursachen können“, betont Isabella Annesi-Maesano. So kommt die neue Gesetzgebung als positive Nachricht für die Gesundheit der Europäer, deren Lebenserwartung aufgrund der Luftverschmutzung derzeit um durchschnittlich mehr als zwei Jahre verkürzt ist.

>> Weitere Informationen zu den Gesundheitsrisiken der Luftverschmutzung finden Sie in unserem Whitepaper „Luftverschmutzung und Bremsstaub: die Risiken für unsere Gesundheit”